Wir fragten Eszter Arendt, die Ungarische Gewinnerin des ConSteel Diplom-Contests 2020, eine Zusammenfassung ihrer Diplomarbeit im Consteel-Blog zu schreiben und wir stellten einige Fragen zu ihren Erfahrungen mit diesem Projekt.
Parametrische Berechnungen einer Freiform-Stahlskelettstruktur
In meiner Diplomarbeit habe ich die Dachstruktur der Eingangshalle des Hungexpo Budapest Messezentrum erneut entworfen und berechnet.
Das propellerartige Gebäude besitzt ca. 72,0m*67,0m Grundfläche. Die Fassade und das Dach des Gebäudes bestehen aus räumlichen stählernen Gitterstrukturen, die miteinander verbunden sind.
Das Dach wird an den Rändern durch die Fassaden und im Zetntrum durch einen Stahlbetonring gestützt. Die mittlere Glasstruktur und der Durchgang lagern auf dem Betonring und daher beeinflusst dieser Bereich nicht den Rest des Daches. Die Dachstruktur besitzt eine räumlich gekrümmte Oberfläche.
Wegen der Freiformstruktur benutzte ich die Software Grasshopper für den Entwurf, eine Software mit fundiertem mathematischen Background, mit der sich sehr einfach sogar noch viel komplexere geometrische Formen bilden lassen. Weiterhin besitzt Grasshopper den Vorteil parametrischer Entwürfe. Damit können schnell und effizient viele verschiedene Strukturentwürfe untersucht und vergleichen werden.
In meiner Arbeit untersuchte ich zwei Layout-Typen: rechteckige und dreieckige Balkenraster. Beide Systeme hatten 4-4 Subtypen mit unterschiedlichen Spannweiten. Ich entwarf die Subtypen nach den Aspekten Herstellung, Aufbau und Transport. Während des konzeptuellen Designs entwickelte und untersuchte ich 8 Layouts, um daraus die günstigste Lösung zu finden.
Für die baustatischen Berechnungen und Nachweise benutzte ich die Software Consteel, die mit Pangolin eine direkte Verbindung zu Grasshopper besitzt.Damit konnte ich das statische Modell komplett parametrisch erstellen, was zu schnellen Varianten führte.
Die in Grashopper erstellte Geometrie basiert auf räumlichen Kurven. Dagegen bieten baustatische Berechnungssoftware typischerweise weniger geometrische Optionen, sodass ich das Strukturmodell polygonartig verändert habe, damit es mit Consteel berechenbar ist.
Das Ziel des konzeptionellen Entwurf war die Erstellung von Modellen, die schnell und einfach berechnet und verglichen werden können. Daher beschränkte ich mich auf je eine maximale GZT- und GZG-Einwirkungskombination. Mit Hilfe des parametrischen Modells und Pangolin konnte ich Modelle derart erstellen, dass der einfache Wechsel von Parametern auch gleichzeitig meine Consteel-Modelle anpassten, sodass mehrfache Kombinationsoptionen in einfacher Weise analysiert werden konnten. Ich beobachtete bei den beiden geometriechen Grundfällen, dass offensichtlich die Querschnittstragfähigkeiten ausreichend waren, aber bei großen Spannweiten die Verformungen dominant wurden, sodass diese Strukuren hinsichtlich des Materialaufwandes nicht mehr wirtschaftlich waren.
Aus den Ergebnissen haben ich mittels einer Entscheidungsmatrix die günstigste Konstruktion ausgewählt.. Der große Vorteil von Entscheidungsmatrizen ist die eindeutige Vergleichbarkeit der verschiedenen Konstruktionen nach unterschiedlichen Aspekten. Die Evaluation war farbcodiert. Die Kriterien der Entscheidungsmatrix waren wie folgt:
Statik
- maximale Ausnutzung
- Verformungen
- kritischer Lastfaktor zum Stabilitätsversagen
Mengen
- Gewicht
- Anzahl Träger und Anschlüsse
- Gesamtlänge
Herstellung und Montage
- Herstellbarkeit und Montageeignung der Anschlüsse
- Transport
- Baueinheiten
- Bedachung
Architektur
- Ästhetik
Ich codierte die verschienden Kriterien farblich
- grün – gut, einfach, ideal
- orange – befriedigend, komplex, akzeptabel
- rot – unzureichend, kompliziert, problematisch
Die rechteckige Struktur erwies sich als die Beste, sodass ich dsmit anschließend weitere detailliertere Berechnungen durchtführte.
Bei der detaillierten Berechnung berücksichtigte ich mehr Einwirkungskombinationen und präzisere Einwirkungspositionierungen. Die meisten Einwirkungen waren Flächenlasten auf der Dachfläche, wobei der Wind unterschiedliche Stärken auf verschiedenen Zonen hatte. Auch hier zeigte das parametrische Modell aufgrund der Freiformfläche seine Vorteile. Ich setzte den Wind aus 6 verschiedenen Richtungen an und definierte die Windzonen parametrisch, sodass ein nWechsel der Windrichtung gleichzeitig auch die Windzone veränderte. Daher brauchte ich keine unterschidlichen Lasten auf die Lastverteilungsflächen platzieren.
Ich beschäftigte mich auch mit der Konfiguration und Berechnung der Anschlüsse, die ich per Hand und mit csJoint berechnete. Fürm ich war es sehr eindrucksvoll zu sehen wie sehr die Anschlüsse das Tragverhalten der Hauptstruktur beeinflussten. Bereits bei der konzeptionellen Studie zeigte die Wahl der Träger und deren Stabendsteifigkeiten,dass die realen Anschlüsse auch dem Modell entsprechende Steifigkeiten aufweisen müssen.
Insgesamt lernte ich viel über die Prozesse der Tragwerksplanung und eines parametrischen Entwurf. Meines Erachtens wird zukünftig das parametrische Design wesentlich mehr Beachtung finden, sodass es heute schon wichtig ist, sich damit auseinander zu setzen.
Wir stellten der Autorin, Eszter Arendt, einige Fragen zu Ihren während der Diplomarbeit gewonnenen Erfahrungen.
Interview
Consteel: Zunächst unsere Gratulation zu ihrem Diplom und dem gewinn des Ungarischen Consteel Diplom-Contests! Und warum entschieden sie sich zu diesem Diplomthema?
Eszter: Ich wurde mit dem parametrischen Strukturentwurf während der Vorlesung eines Gastprofessors bekannt und bereits dort habe ich mich dafür sehr interessiert. Glücklicherweise hatte die bim.GROUP bereits ein Projekt mit parametrischer Tragwerksplanung, an dem ich mich beteilgen konnte. So entstand mein Diplomthema fast zwangsläufig über die Hungexpo Eingangshalle.Ich kam zu dem Projekteam etwa zur Halbzeit und arbeitete bis zum Ende mit.
Consteel: Was war ihre Aufgabe im Projekt?
Eszter: Ich arbeitete meistens an den sekundären Strukturen. Die Verkleidung wurde durch speziell geformte gebogene Profile gestützt, die überall der äußeren Form des Gebäudes folgten. Ich war für deren Statik und Nachweise zuständig. Ich unterstützte auch die Anschlussberechnungen und das Design des Glasdoms auf dem Dach.
Consteel: Wie kann ein Student sich vorstellen, an einem derartigen Projekt mit zu arbeiten?
Eszter: Das war mit Sicherheit eine große Herausforderung. Ich denke, dass ich als junger Ingenieur sehr viel bei dem Projekt gelernt habe,insbesondere weil es sehr komplex war.
Consteel: Was hat ihnen bei dem Projekt besonders gefallen?
Eszter: Es war ein besonderes, vielleicht einzigartiges Projekt. Daher gab es keine Langeweile und ich hatte Spaß am gesamten parametrischen Design.
Consteel: Was war ihre größte Herausforderung bei ihrer Verantwortung oder bei dem Projekt selbst?
Eszter: Die Zeit. Die Bauindustrie arbeit unter Zeitdruck und oft mit sehr engen Terminen und Fristen. Es ist schwierig, vollständig eingenständig einen sehr gute Job zu finden. Besondern für einen jungen, unerfahrenen Ingenieur, da wir keine jahrelange Erfahrung haben und jede neue Aufgabe uns Erfahrung lehrt.
Consteel: Welche Consteel-Funktion benutzten sie am häufigsten? Welcher Teil half bei ihrer Arbeit am besten?
Eszter: Ich führte alle wichtigen baustatischen Berechnungen mit Consteel durch. Schon bei der konzeptionellen Planungsphase war es sehr hilfreich, die Ergebnisse unterschiedlicher Modelle vergleichen zu können. Besondrers gut fand ich, dass die Anschlussbeanpruchungen einfach und transparent aus der Hauptstatik zur Verfügung standen. Für die Knotenberechnungen stand mir csJoint zur Verfügung.
Eszter: Ich denke da an mehrere Vorteile, aer ich möchte drei Punkte hervorheben:
- keine Notwendigkeit zur manuellen Platzierung von Lasten
- Veränderungen können einfach und schnell verfolgt werden
- viele Varianten können berechnet werden, was für konzeptionellen Studien sehr geeignet ist
Ich weiss nicht, wie ich den Transfer ohnePangolin gelöst hätte, vielleicht ein Transfer mit Linienmodellen, aber trotzdem hätte ich das Strukturmodell Stück für Stück aufbauen müssen. Meines Erachtens ist Pangolin essentiell für Freiformstrukturen, aber kann also sehr hilfreich für einfachere Aufgaben sein.
Projektfakten
Eszter Arendt’s Msc Diplomthesis
Betreuer:
Márton István Juhász – bim.GROUP Kft. Nauzika Kovács PhD – Budapest University of Technology and Economics (BUTE), Fachbereich Bauingenieurwesen